Fehlerkultur


Drei intensive Tage liegen hinter uns: Die Präsenztage, in denen normalerweise das Schuljahr vorbereitet wird, waren für uns auch Kennenlerntage. Ich bin sehr glücklich mit dem Kollegium. Da sich alle, die sich bereiterklärt hatten an diese Schule zu wechseln, ganz bewusst auf eine Schulneugründung eingelassen hatten, besteht das Kollegium ausschließlich aus Menschen, die genau darauf Lust haben, die viele neue Ideen haben, Schule neu denken wollen, neugierig auf den Prozess sind. Ich habe das Gefühl, dass wir als Startkollegium eine ganz besondere Beziehung zu der Schule und untereinander haben werden, wenn die ISS mit einer guten Stammbesatzung in der Umlaufbahn bleibt und nicht in der Atmosphäre verglüht. Es ist nämlich sehr klar geworden, dass wir uns einer sehr großen Herausforderung stellen, dass wir am Anfang sehr viel Geduld haben müssen und dass es zunächst noch an vielen Stellen knirschen wird.

Es fällt mir sehr schwer, diese Geduld zu haben und es auszuhalten, dass nicht jedes Problem sofort gelöst werden kann. Daher muss ich mir unbedingt ein paar Dinge fest vornehmen, die ich aus Ungeduld manchmal vergesse: Ich will nicht zu viel auf einmal versuchen zu beginnen und zu verändern, sondern eins nach dem anderen angehen. Ich will mich dabei auch nicht beirren lassen, wenn jemand von außen wie Eltern oder einzelne Kolleg*innen darauf drängt, dass etwas sofort oder bald geschehen muss. Ich will außerdem keine Alleingänge machen, sondern alles im Team besprechen, möglichst alle bei wichtigen Entscheidungen einbeziehen. Auch das kostet Zeit und auch dabei braucht man Geduld. Ich will unbedingt darauf achten, gesund zu bleiben, denn eines verträgt die neue Schule auf gar keinen Fall: Ausfall durch Krankheit wäre ein Desaster, weil ich meine eigene Klasse in fünf Fächern unterrichten werde und in einem Fach acht Klassen mit Unterricht versorge.

Als ich mich entschieden habe, auf die ISS zu wechseln, habe ich schon antizipiert, dass ich mich der Herausforderung des lernzieldifferenten Unterrichts stellen muss. Vorher war ich an einem Gymnasium, was nur Binnendifferenzierung kennt.

Was ich nicht vorausgesehen habe, ist, dass ich dies nicht nur die Fächer unterrichten werde, die ich studiert habe. Es hat trotz der Neugründung nicht geklappt, dass alle Fächer durch Fachkolleg*innen abgedeckt werden. Daher werde ich zum Beispiel acht Klassen in Musik unterrichten: Ich spiele zwar Gitarre seit ich acht Jahre alt bin, kann auch ein wenig Klavier spielen, hatte Gesangsunterricht und früher einmal Leistungskurs Musik, aber sicher fühle ich mich keinesfalls. Ohne einen einzigen Fachkollegen in der Fachschaft muss ich mir nicht nur den Unterricht selbst ausdenken, ich muss auch Instrumente und Lehrwerke beschaffen. Dass ich auch Politische Bildung und Geschichte fachfremd in meiner eigenen Klasse neben Deutsch und Ethik unterrichten werde, ist auch sehr herausfordernd, aber dort habe ich jetzt schon einen sehr guten Eindruck von der Fachschaft und wir denken auch schon ein Tandem Ethik/Politische Bildung an.

Morgen geht es los und ich werde meine Klasse kennenlernen. Ich bin total aufgeregt, ich werde sie auch darauf einstellen müssen, dass sie viel Geduld brauchen. Neben allem wird eines ganz besonders wichtig sein: Positive Energie! Wir wissen schon, dass viele Dinge nicht gleich funktionieren werden, dass alle Beteiligten Fehler machen werden und dass es manchmal auch sehr frustrierend sein wird. Höchste Priorität hat für mich also, dafür zu sorgen, dass die Stimmung positiv bleibt und nicht in Schwarzmalerei, Nörgeiei oder Fatalismus kippt.

Das Kernthema für die nächsten Wochen wird für mich also das Thema „Fehlerkultur“ sein, was ich sowohl den Schüler*innen als auch den Eltern und Erziehungspartner*innen kommunizieren werde.


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